Meldungen aus dem Bezirksverband Nordwürttemberg
Meldungen aus dem Bezirksverband Nordwürttemberg

„Wenn Steine reden könnten...“

Kriegsgräberpflegeeinsatz vom 5. – 19. März 2023 in Cassino/Italien

 

„Wenn Steine reden könnten...“ so der Titel der Broschüre des Volksbundes zur Handreichung für den Umgang mit Kriegsgräbern in Deutschland. Einige Auszüge aus dem dazugehörigen Vorwort unseres Generalsekretärs, Dirk Backen, decken sich auch mit meinen Gedanken während des gesamten Pflegeeinsatzes in Cassino. Denn Kriegsgräberstätten sind häufig die einzigen baulichen Zeugnisse von Krieg und Gewaltherrschaft. Sie sind ebenfalls Orte des kollektiven Gedenkens und Erinnerns wie auch der individuellen Trauer. Kriegsgräberstätten sind zugleich auch Bildungsorte, an denen Geschichte greifbar und die Auswirkungen von Krieg und Terror begreifbar werden.

Seit Mai 2021 bin ich als Geschäftsführer des Bezirksverbandes Nordwürttemberg im Landesverband Baden-Württemberg für den Volksbund tätig. Und seit dieser Zeit lerne ich immer etwas Neues in Bezug auf die vielseitigen Tätigkeiten des Volksbundes. So auch zum Thema Kriegsgräberpflegeeinsätze im Ausland mit der Bundeswehr. In einem persönlichen Gespräch mit dem Standortfeldwebel Thomas R. vom Unterstützungspersonal Standortältester (UstgPers StOÄ) Stuttgart, habe ich von den umfang-reichen Vorbereitungen und Anforderungen solcher Pflegeeinsätze erfahren. Nach diesem Gespräch reifte in mir der Entschluss, einen solchen Einsatz aktiv zu unterstützen, um die Geschichte noch besser zu verstehen und so meinen Teil zur Friedensarbeit beitragen zu können. So kam es, dass ich einen solchen Arbeitseinsatz in meiner Funktion als Geschäftsführer des Volksbundes unterstützend als Arbeitskraft nach Cassino/Italien begleiten durfte.

Treffpunkt am Sonntagmorgen um 4.30 Uhr in der Theodor-Heuss-Kaserne in Stuttgart. So gar nicht meine Zeit! Nach dem Verladen der Fahrzeuge und der Unterweisung durch den Kommandoführer, Oberstabsfeldwebel Thomas R., machen sich insgesamt 11 Kameraden (aktive Soldaten, Reservisten und ich) mit drei Fahrzeugen am frühen Morgen auf den Weg nach Cassino. Unser erstes Etappenziel: Die Kriegsgräberstätte am Futa-Pass, wo eine Übernachtung vorgesehen ist, bevor es am Montag weiter Richtung Cassino geht. Das Wetter regnerisch, sehr windig und kühl, die Stimmung dagegen sonnig und launig. Gegen 17.00 Uhr erreichen wir die vom Volksbund betriebene Unterkunft an der Kriegsgräber-stätte, die wir auch besichtigen. Nach dem Einchecken nehmen wir dann gemeinsam unser Abendessen in einer urigen Gaststätte im Ort ein. Am nächsten Morgen Wecken um 6.30 Uhr, im Anschluss ein italienisches Frühstück im Stehen genießen (Cappuccino und gefüllte Croissants) – perfetto.

Danach geht es weiter nach Cassino, wo wir ohne Probleme und mit den nötigen Pausen gegen 13.30 Uhr ankommen. Dort erfolgt zunächst eine Orts- und Lageerkundung zur Kriegsgräberstätte und anschlie-ßend zur Unterkunft. Als wir an der Kriegsgräberstätte ankommen, werden wir bereits vom Friedhofs-verwalter Eugenio Pezza erwartet. Durch ihn erfolgt eine erste Abstimmung mit unserem Kommando-führer zu den anstehenden Arbeiten, während sich die restliche Truppe um den Aufbau unseres Verpfle-gungszeltes für die nächsten 14 Tage kümmert. Ebenso erfolgt eine Einweisung in die Nutzung der vorhandenen Gebäude einschließlich der spartanisch ausgestatteten Küche.

Aber wir haben mit Stabsunteroffizier Fabien K. vom 1./ABCAbwBtl 750 in Bruchsal nicht nur einen exzellenten Koch, sondern auch einen „Hans Dampf in allen Gassen“ dabei. Gemeinsam mit Hauptfeld-webel Lukas B. vom Landeskommando Baden-Württemberg zaubern die beiden jeden Tag eine neue Überraschung auf die Teller, die ebenso nahrhaft und schmackhaft wie ausgewogen ist. Am Abend beziehen wir dann unsere Unterkünfte, geräumige Zwei-Bett-Stuben in einem Wohnheim direkt neben der Kaserne, die uns die italienische Armee zur Verfügung stellt.

Voller Tatendrang geht es am nächsten Morgen um 7.30 Uhr los. Einige zu erledigenden Aufgaben sind uns durch die Vorerkundung bereits bekannt, andere kommen spontan hinzu. Folgende Aufgaben werden wir während unseres Aufenthaltes mit verschiedenen Teams abarbeiten:

•    Ausrichtung und Begradigung von Grabkreuzen
•    Entfernung von Farn und Moos an Wegen
      und Plätzen
•    Austausch und Erneuerung einer kompletten
      Sitzbank aus Holz
•    Ausbesserung und Reparatur einzelner Holzbänke
•    Ausbesserungen und Begradigungen von Wegen
•    Rasenpflege wie Mähen und Vertikutieren
•    Rasen säen
•    Erneuerung der Beschilderung am Eingangs-
      bereich
und viele spontan anfallende Arbeiten

Gearbeitet wird täglich bis zum Einbruch der Dunkelheit so gegen 18.00 Uhr. Eine kurze Mittags- und Kaffeepause sind die einzigen Unterbrechungen während des Tages. Die Zeit vergeht wie im Flug und manchmal geht auch das Zeitgefühl völlig verloren. Durch eine großzügige Spende der Firma Wiha Werkzeuge GmbH aus Schonach und der Schreinerei JOKL aus Zweiflingen, beide aus Baden-Württem-berg, kann zum einen die Ausstattung an gängigen Werkzeugen für den Friedhof ergänzt werden und zum anderen der komplette Austausch einer Holz-Sitzbank vorgenommen werden. An dieser Stelle ein herzliches Dankeschön an die Spender!

Wer arbeitet braucht auch einen Ausgleich. Am sogenannten Betreuungswochenende besuchen wir am Samstag die einst wohlhabende Stadt Pompeji am Fuße des Vesuvs sowie den Vesuv selbst. Ein Abstecher an die Küste vom Golf von Neapel rundet den Besuch in der süditalienischen Region Kampanien ab. Am Sonntag führt uns dann der Weg zum Benediktinerkloster nach Monte Cassino. Bei einer Führung rund um das Kloster erfahren wir sehr viel Wissenswertes über das Kloster und die Region, das nicht immer in den Geschichtsbüchern steht.

Auch unsere zweite Arbeitswoche vergeht wie im Flug. Begonnene Arbeiten werden fertiggestellt, so dass am Ende der Woche durch unseren Kommandoführer Vollzug gegenüber dem Friedhofsverwalter gemel-
det werden kann. Am letzten Tag treten wir dann um 5.00 Uhr unsere Rückreise an, die problemlos ver-läuft, so dass alle wieder gesund und munter am Zielort ankommen.

Während unseres Arbeitseinsatzes ergeben sich dann noch einige Besonderheiten:
-    So werden wir in der ersten Woche von unserem Gastgeber, Oberst Valerio L., Kommandeur des
     örtlichen 80. Reggimento Addestramento Volontari „Roma“ (80. Freiwilligen Ausbildungsregiment
     „Roma“), zum Antreten mit anschließendem italienischem Frühstück eingeladen.

-    Ein besonderer Höhepunkt und Auszeichnung ist die Einladung zur öffentlichen Vereidigung neuer
     Rekruten des Regimentes in Cassino am Mittwoch der zweiten Woche. Von dieser Vereidigung und
     der Teilnahme unserer Abordnung berichtet sogar das italienische Fernsehen.

-    Am letzten Tag eines jeden Pflegeeinsatzes ist es üblich, den Gefallenen mit einer Kranzniederlegung
     in einem würdigen Rahmen zu gedenken. Diesem Gedenken wohnt auch eine sechsköpfige Abord-
     nung des 80. Freiwilligen Ausbildungsregimentes „Roma“ unter der Führung von Oberst Valerio L.
     und weiteren geladene Gäste bei. Im Anschluss an das Gedenken gibt es einen Stehempfang, bei dem
     gute Gespräche geführt, Verbindungen vertieft sowie Gastgeschenke ausgetauscht werden.

Resümee

Für mich war es eine ganz eigene Erfahrung, die ich machen durfte. Als einziger Zivilist wurde ich sehr freundlich im Kreis der Bundeswehrangehörigen aufgenommen. Ich habe mich bei dieser Truppe sehr wohl gefühlt. Die unterschiedlichen Motivationsansätze der einzelnen Soldaten für einen solchen Einsatz sind sehr umfangreich und nicht einfach zu beantworten. Sie reichen von der aktiven Auseinanderset-zung mit der Geschichte bis hin zum Engagement für unsere demokratische Erinnerungskultur. Ich bin sehr dankbar dafür, dass ich einen kleinen Beitrag dazu leisten konnte und danke allen die mich bei diesem Vorhaben unterstützt haben. Ich würde jederzeit wieder einen solchen Einsatz aktiv begleiten.

Johannes Stocker
Bezirksgeschäftsführer Nordwürttemberg